Wird CBAM verschoben?
CBAM Weekly - Ausgabe 31 - 24. Jan. 2025

CBAM Weekly
mit Helge Wieggrefe
Viele von CBAM betroffene Unternehmen treibt derzeit die Frage um, ob der Start von CBAM verschoben wird. Hintergrund ist ein Schreiben der konservativen Fraktion im Europäischen Parlament, das dieser Tage veröffentlicht wurde und für viel Aufregung sorgt.
Das Schreiben der EPP
Die konservative Fraktion im Europäischen Parlament hat sich auf Einladung von Friedrich Merz und Manfred Weber in Berlin getroffen und vor allen Dingen zu wettbewerbspolitischen Fragen der Europäischen Union diskutiert. In dem Schreiben spricht sich die Fraktion sodann für eine Verschiebung wesentlicher Gesetzgebungspakete des Green Deal aus. Besondere Beachtung erfährt das Schreiben auch deshalb, weil es von der Parteienfamilie der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stammt.
Forderungen der EPP
Die Politiker fordern eine Verschiebung der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und des CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM) für zwei Jahre. In diesen zwei Jahren soll die Omnibus-Initiative erlassen werden, um doppelte Berichterstattungen und bürokratischen Aufwand – insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen – zu verringern. Konkret sollen nur Unternehmen unter die Verordnungen fallen, die mehr als 1.000 Mitarbeiter beschäftigen. Interessanterweise wird (nicht erneut) eine Verschiebung der Verordnung für Entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) gefordert.
CBAM, CSRD und die CSDDD – alles das gleiche?
Es ist interessant, dass die Politiker der konservativen Fraktion Maßnahmen mit verschiedenen Zielrichtungen in einen Topf werfen. Während es bei der CSRD und der CSDDD in der Tat um das Durchsetzen strengerer Nachhaltigkeitsvorgaben geht, hat CBAM auch eine wettbewerbspolitische Komponente. Auf der einen Seite setzen die ersten beiden Gesetze die Vorgaben ordnungspolitisch durch Standards und Sanktionen durch, auf der anderen Seite setzt CBAM vor allen Dingen auf das marktwirtschaftliche Instrument des Preissignals. Diese Wettbewerbspolitik ist gerade das, was die Politiker an weiterer Stelle auch fordern, als sie den Europäischen Emissionshandel als wirksamstes und marktwirtschaftliches Klimaschutzinstrument loben. Wie der Europäische Emissionshandel aber ohne CBAM wirklich wirksam eingesetzt werden kann, ohne selbst zu schlechteren Wettbewerbsbedingungen für die Europäische Wirtschaft zu führen, bleibt offen. Die bisherige Lösung der Vergabe von kostenlosten Zertifikaten kann jedenfalls nicht überzeugen und wird weder dem Klima noch fairen Wettbewerbsbedingungen gerecht. Hier sind die Forderungen bzw. Standpunkte der Politiker widersprüchlich.
Die vorgeschlagene Ausnahme für die Gesetzesinitiativen
Es überzeugt auch handwerklich im Folgenden nicht, für verschiedene Gesetzespakete eine einheitliche Ausnahme zu fordern. Schließlich sollten die Gesetze stets so ausgerichtet sein, dass sie ihre Ziele bestmöglich erreichen, ohne dafür bei den Betroffenen zu große Belastungen herbeizuführen. Sicherlich lassen sich gute Argumente dafür anführen, gerade kleine und mittelständige Unternehmen hier besonders in den Blick zu nehmen. Da CBAM eine Verlagerung der Produktion und damit auch der ausgestoßenen Emissionen verhindern soll, ist hier eine Ausnahme im Hinblick auf die in den Importen verkörperte Emissionslast sinnvoll. Es macht für das Ziel des Gesetzes aber keinen Unterschied, wie viele Mitarbeiter bei einem Unternehmen beschäftigt sind, es kommt auf das einzelne Geschäftsmodell an. Importiert ein Unternehmen Waren mit mehreren hundert Tonnen verkörperten CO2-Emissionen ist es auch berechtigt, dass dieses Unternehmen den Aufwand stemmen muss, der mit der CBAM-Verordnung einhergeht. Selbst dann, wenn es nur 20 Mitarbeiter beschäftigt. Andersrum ist es dann auch richtig sehr große Unternehmen von der Verordnung auszunehmen, wenn sie nur in Einzelfällen betroffen sind. Die IHKs fordern entsprechende Ausnahmen übrigens schon seit längerem. Hier wäre auch ein Austausch mit den ansässigen Kollegen der IHK Berlin gut gewesen.
Zeitliche Verschiebung von CBAM?
Außerdem fällt auf, dass unter den Forderungen der Politiker zwar mit der CSRD und der CSDDD Richtlinien sind, die erst noch nationaler Umsetzungsgesetze bedürfen. Sie gelten daher nicht unmittelbar. Ein Aufschub kann hier entsprechend insbesondere da erfolgen, wo die nationalen Gesetze noch ausstehen. Die CBAM-Verordnung gilt aber unmittelbar und ist bereits seit 2023 in Kraft. Ein Aufschub der Verordnung ist also gar nicht mehr möglich. Die Forderung der Politiker ist daher bestenfalls schwammig und unklar. Gemeint sein kann damit der Aufschub der Regelphase, die ab 2026 starten würde. Damit würden sie aber gerade den Beginn der wettbewerbspolitischen Wirkung der Maßnahme verschieben. Stattdessen würden sie die Übergangsphase verlängern. Diese ist derzeit geprägt von erweiterten Berichtspflichten, um die Unternehmen zu zwingen, sich in der kurzen Zeit mit den Prozessen vertraut zu machen und entsprechende interne Abläufe einzurichten. Die Forderung der Politiker würde daher Wettbewerbspolitik unterminieren und stattdessen zu mehr Bürokratie führen. Auch ein Aussetzen der Verordnung und ein Neustart in zwei Jahren mit neuer Übergangsphase hätte den gleichen Effekt.
Resonanz aus der Wirtschaft
Das Echo aus der Wirtschaft, das dieses Schreiben nun hervorgerufen hat, ist entsprechend. Die europäische Stahlvereinigung Eurofer sowie die Vereinigung der Zementindustrie Cembureau fordern zwingend ein Festhalten an CBAM und ein schnelles Umsetzen der Verordnung. Die Wirtschaft hat sich hierauf eingestellt und im Hinblick darauf auch Investitionsentscheidungen getroffen. Ein Kurswechsel, mehr Unsicherheit ist gerade das, was sie jetzt nicht gebrauchen können. Der Vorschlag der EPP ist unausgegoren und kann auch inhaltlich nicht überzeugen. Er wirkt eher wie ein Manöver im Wahlkampf.
Fazit
Aus den oben genannten Gründen halte ich eine Verschiebung (was auch immer hiermit gemeint sein soll) bei CBAM nicht für realistisch. Es wird ggf. früher eine Exportbefreiung kommen, um Wettbewerbsnachteile auf Zielmärkten ohne CO2-Bepreisung zu verringern. Hiermit wäre der Europäischen Wirtschaft tatsächlich geholfen.
Support in der Vorbereitung auf die Regelphase
Meine Empfehlung ist daher, dass Sie sich nicht verunsichern lassen sollten. Sie sollten die Zeit nutzen, sich auf die komplexe Regelphase vorzubereiten. Denn der Mechanismus wird ab 2026 noch deutlich aufwändiger zu handhaben. Wenn Sie dabei Unterstützung benötigen sollten, melden Sie sich gerne direkt bei uns (helge@kolum.earth). Wir stehen Ihnen dabei gerne zur Seite.
Viele Grüße Helge Wieggrefe